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Quelle: Neue Presse (Coburg), 08.04.2006
Rainer Glissnik


Der Asphalt – die neue Schlachtbank

Ein Fünftel der Rehe wird nicht geschossen, sondern überfahren
Appell: Jetzt Duftzäune ausbringen!

Anbringung des Duftzauns

Die Zahl der Wildunfälle im Kreis Kronach ist in den letzten Monaten deutlich angestiegen. Der Leiter des Projektteams „Wild und Straße“, Klaus Riedel (Bild), rät, jetzt den „Duftzaun“ anzubringen und in der Dämmerung vorsichtig zu fahren.

Ein Fünftel aller im Landkreis Kronach erlegten Rehe wird nicht von den Jägern geschossen, sondern auf der Straße getötet! „Die Straße wird zur Schlachtbank für das Rehwild“, stellte der Leiter des Projektteams „Wild und Straße“, Klaus Riedel, bei der Frühjahrssitzung fest.

Kronach – Seit 15 Jahren arbeitet das Projektteam sehr erfolgreich, die Zahl der Wildunfälle im Kreis Kronach zu verringern. Was sich bereits im Vorjahr andeutete, hat sich im vergangenen Jahr drastisch entwickelt: Die Zahl der Wildunfälle im Kreis Kronach ist vom April 2005 bis März 2006 um mehr als zehn Prozent angestiegen. Bei Klaus Riedel „läuten“ daraufhin die Alarmglocken.
   Viele Jahre hatte die Zahl der Wildunfälle von jährlich über 400 vor Gründung des Projektteams auf weniger als die Hälfte verringert werden können. Im vergangenen Jahr aber habe man erstmals wieder über 200 Wildunfälle (nämlich 227) registriert.

Anstieg in den nächsten Wochen?

Gerade für die nächsten Wochen befürchtet das Projektteam eine weitere Zunahme. Der lange Winter mit viel Frost und Schnee hielt das Wild lange im Wald. Umso stärker drängt es nun hinaus in die Flur, um an das frische, wenn auch noch spärliche Grün zu kommen. Dabei führt der Weg der Tiere leider oft über Straßen.
   Ohnehin sind der Mai (Vorjahr 27) und der Oktober (30) die Monate mit den meisten Wildunfällen, wobei auch schon im April viel passiert.
   Die Mehrzahl der Wildunfallschwerpunkte im zurückliegenden Projektjahr sind altbekannt. Kreisbaumeister Michael Kestel zeigte diese anhand einer aktualisierten Landkreiskarte auf. Auf vier Kilometern Streckenlänge ereigneten sich entlang der B 85 zwischen Weißenbrunn und an der Landkreisgrenze 13 Wildunfälle. Trotz vielfältiger Bemühungen passierten auf der Kreisstraße 25 zwischen Gundelsdorf und Friesen neun Wildunfälle. Überraschend und neu ist der Wildunfallschwerpunkt zwischen Dörfles und dem Friesener Kreisverkehr (neun Wildunfälle).
   Ebenso viele Wildunfälle wurden auf der Umgehung zwischen Schmölz und Beikheim gezählt. Zehn Wildunfälle waren zwischen Mitwitz und Haig auf der Staatsstraße zu verzeichnen. Ein weiterer Problembereich ist das Gebiet zwischen Mauthaus und der Thomasmühle (zehn Wildunfälle). Auffällig ist, dass in der Rennsteigregion seit vielen Jahren keine derartigen Konzentrationen von Wildunfällen zu beobachten sind. Ein Grund könnte in Klaus Riedels Augen sein, dass das Äsungsangebot im südlichen Landkreis außerhalb der Wälder verlockender ist.
   Außerdem sei gerade die Rennsteigregion äußerst engagiert in der konsequenten Umsetzung der Schutzmaßnahmen. Eine Häufung von sechs Wildunfällen sei auf der Kreisstraße von Kehlbach in Richtung Staatsstraße 2209 festzustellen sowie fünf Wildunfälle zwischen Effelter und Tschirn.
   Insgesamt verendeten im vergangenen Projektjahr auf den Straßen des Landkreises vier Stück Rotwild, 21 Wildschweine, zehn Füchse, vier Dachse und 188 Rehe. Dies bedeute auch einiges an Schäden an Fahrzeugen.
   Ohne die kontinuierlich ergriffenen Schutzmaßnahmen wäre es wohl angesichts des gestiegenen Verkehrsaufkommens mehr als das Doppelte. Dennoch will sich das Projektteam mit den steigenden Wildunfallzahlen keinesfalls zufrieden geben. Wirksamstes Mittel ist der „Duftzaun“, dies hat auch die 15-jährige Erfahrung im Kreis Kronach gezeigt.

„Konsequent sein und nachimpfen!“

„Wir dürfen nicht aufhören, zur richtigen Zeit den Duftzaun zu setzen!“, rief Klaus Riedel nachdrücklich auf, jetzt das „Nachimpfen“ oder Ausbringen des Duftzauns zu erledigen. „Wir müssen konsequent sein!“ Spätestens bis Ostern müsse alles erledigt sein.
   Ausdrücklich bedankte sich der Projektteamleiter bei der Polizei im Kreis Kronach, die mehr als 85 Prozent aller Wildunfälle aufnimmt. Erst kürzlich konnte sich Riedel selbst von der vorbildlichen Mitwirkung der Polizei bei einem Wildunfall in seinem Revier überzeugen.
   Neben dem Duftzaun sei es jetzt auch wichtig, die Wildwarnreflektoren zu reinigen.
   Was im Kreis Kronach bereits seit einiger Zeit in Zusammenarbeit mit der Kreisverkehrswacht durchgeführt wird kommt nun bayernweit: Die Plakataktion mit speziellen Wildwarnhinweistafeln wird nun im Rahmen der „Aktion sichere Landstraße“ ausgeweitet. Der Kreis Kronach habe erneut Modellcharakter. gehabt. Dank mehrerer „Paten“ für die Hinweisschilder und der Zusammenarbeit mit der Kreisverkehrswacht war dies überhaupt erst möglich.
   Projektleiter Klaus Riedel referierte kürzlich beim Landesjägertag über die Erfahrungen aus dem Landkreis Kronach. Immerhin ereigneten sich auf den Landstraßen jedes Jahr 50 Wildunfälle, bei denen Menschen sterben, über 3000 Menschen werden – oft schwer – verletzt und es entstehen Sachschäden in Millionenhöhe.

Wer will „Pate“ werden?

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat und die Landesjagdverbände haben deshalb die „Aktion sichere Landstraße“ gestartet. Im Landkreis Kronach soll noch ein weiteres derartiges Schild aufgestellt werden, wofür noch ein Sponsor als „Pate“ gesucht wird.
   Neben all diesen Maßnahmen für die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer sind aber auch Auto- und Motorradfahrer angesprochen, einen eigenen Beitrag zu leisten.

Rainer Glissnik


Ein Zaun mit dem „Duft“ von Wolf, Luchs, Bär und Mensch

Der Duftzaun ist ein von der Firma „Hagopur“ in Zusammenarbeit mit dem ADAC entwickeltes Produkt zur Reduzierung bwziehungsweise Vermeidung von Wildunfällen an Straßen. Es handelt sich dabei um ein international patentiertes Produktsystem. In Deutschland sind bereits rund 30 000 Kilometer Straße mit Duftzaun ausgestattet worden. Die Bilanz ist eine Wildunfallreduzierung von durchschnittlich 76 Prozent. Der Duftzaun ist völlig umweltneutral und rückstandsfrei. Durch Einwirkung der UV-Strahlung öffnen sich die im Schaum enthaltenen feinen Poren, die den Duft - eine Komposition aus Geruchsbestandteilen von Wolf, Luchs, Bär und Mensch - freisetzen. Der Duftzaun lässt sich durch Anbringen von Schaumdepots entlang der gefährdeten Straßen oder Straßenabschnitte an Pflöcken, Straßenbegrenzungen oder Bäumen einfach aufbauen. Das einmal ausgebrachte Schaumdepot hält der Witterung bis zu fünf Jahren stand.
   Zur Erhaltung der Wirksamkeit müssen die Schaumdepots mindestens zweimal im Jahr mit Konzentrat nachgeimpft werden.




 

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